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Markus Lohmann -..
Rennes Souvenirs
Text von Kirsa Geiser

Die Entscheidung über die Gestaltung des öffentlichen Raumes obliegt nicht primär den Nutzern desselben. Stadtplaner und andere Verwaltungsebenen zeichnen sich verantwortlich für die Besetzung von Freiflächen im Stadtbild. Markus Lohmann thematisiert in seinen Arbeiten die Differenz zwischen offiziellem Repräsentationswillen nebst vermeintlicher Attraktivitätssteigerung und tatsächlicher Nutzung und Wahrnehmung der Stadt durch ihre Bewohner. Mit auf die Mikroökonomie zugeschnittenem skulpturalem Vokabular greift er dort ein, wo die Erinnerung an alltägliche Geschichte in Vergessenheit gerät und der öffentliche Raum zum Parkplatz wird. In Rennes heftet sich der Künstler an die Fersen der Kunst im öffentlichen Raum. Die zwei opponierenden Interessenslagen bilden den Gedanklichen Hintergrund seiner „Renner Souvenirstrecke“, einem örtlichen Netz von zehn ephemeren Plastiken der 60er bis 90er Jahre. Von einem Infoheft in Fremdenverkehrsästhetik dokumentiert, wird der Kunstpfad neben der Budenarchitektur im Bahnhof von Rennes angepriesen. Angeregt von der Platzhalteschaft kleiner Gebäudemodelle als Erinnerungshilfen und Mitbringsel touristischer Unternehmungen hat der Künstler von den ausgesuchten Beispielen Walnussgroße Reproduktionen aus kaugummifarbenem Kunstharz gegossen. Zum handelsüblichen Preis von 10 Franc kullern die in sichtbar produktionstechnischem Low-Level hergestellten Objekte aus den neben den jeweiligen Skulpturen aufgestellten Kinderautomaten.

Mit der Umkehrung der Repräsentationsverhältnisse wird der Automaten-nutzende Stadtbewohner aufmerksam: Das Souvenir ist kein Abbild der bekannten Oper von Rennes, sondern nur eine Kopie der schon vergessenen Betonskulptur von nebenan, deren Eiffelturm-Miniaturästhetik
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Arbeiten
Projekte im öffentlichen Raum
Profil

augenzwinkernd für Aufmerksamkeit gegenüber dem Vorbild sorgt. Die Reproduktion bringt das Original und damit noch etwas anderes ans Licht: Den ausgesuchten Kunst-Beispielen im öffentlichen Raum ist weder eine erkennbare Aussage zuzuordnen, noch weisen sie einen Bezug zu dem umgebenden Ort auf oder erfüllen gar die ihnen zugedachte Aufgabe der „Verschönerung“. Mit einer vergleichbaren Subversion hatte Lohmann schon seiner Heimatgemeinde, der westfälischen Kleinstadt Hiltrup, die Unmündigkeit gegenüber den Entscheidungsprozessen im eigenen Ort vor Augen geführt. Dort konnten Reproduktionen banaler und trotzdem im (örtlichen) öffentlichen Bewusstsein verankerter Architektursupplemente und Symbole aus den Handelsüblichen Kaugummiautomaten erworben werden. War diese Arbeit vom Ausverkauf der historisch gewachsenen Stadt motiviert, steht in Rennes die Vorstellung vom Kunstwerk als Aufwertung der Stadt auf dem Prüfstand.

Im Gegensatz zu den 1999 in der ZEIT angekündigten New York – mal – anders - Stadtführungen von Christine Hill bietet Lohmann keinen touristischen Rundgang mit Subjektivitätsmotto. Vielmehr handelt es sich bei dem Kitsch-Pfad um das öffentliche Infragestellen eines eingeschriebenen Konzeptes im Umgang mit der Praxis von Kunst im öffentlichen Raum. Anstatt der Kunstdefinition via Museum, die von Daniel Buren mit malerischen und ebenso banalen Streifen enttarnt wird, gilt Lohmanns Intervention der Definitionsmacht von Behörden, die nicht nur die Entscheidungsgewalt darüber besitzen, was Kunst im öffentlichen Raum sein soll, sondern auch wer davon profitieren kann.

Belehren will Lohmann allerdings nicht: Die Objekte sollen nur den Anstoß geben, dann können sich die Dinge von alleine entwickeln.

Rennes Souvenirs__
Projekt im Stadtraum von Rennes (Frankreich)
August 2001 - Februar 2002


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